Der 26. November 1974.
6.00 Uhr
Der Wecker klingelt. Raus aus dem Bett, waschen, rasieren,
anziehen, frühstücken.
7.00 Uhr
Reimund Fuchs (der Fahrer) steht vor der Tür, erster Blick in die
Morgenzeitungen, Nachrichten im Autoradio, Manuskripte werden während
der Fahrt durchgearbeitet, Briefantworten auf Band gesprochen.
9.00 Uhr
Ankunft in Bonn. Landesvertretung Nordrhein-Westfalen hat
Zeitungsverleger eingeladen. Kleiner Imbiss und Gespräche mit den
Presse-Unternehmern.
10.30 Uhr
Präsidiumssitzung im SPD-Gebäude. Willy Brandt, Heinz Kühn und
Helmut Schmidt sind da. Außerdem Walter Arendt, Alfred Nau,
Holger Börner, Elfriede Eilers, natürlich auch Dr. Vogel und
Erhard Eppler. Für Privates bleibt keine Zeit. Zuviel muss
durchgearbeitet, besprochen und diskutiert werden. Alle arbeiten
unter Zeitdruck. Der Terminkalender erweist sich wieder einmal als
Geißel.
12.15 Uhr
Reimund lässt den Wagen an, wir fahren zurück nach Mainz.
Mittagessen fällt aus. Wir kaufen unterwegs ein paar Nüsse.
14.00 Uhr
Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses im Landtag.
16.00 Uhr
Arbeitskreis "Christen und SPD" in Mainz
zusammengetreten. Wir sprechen über Versammlungen und
Diskussionsabende - über das Verhältnis Kirche-SPD. Wir können
uns nicht beklagen. Es ist gut, besonders zu den evangelischen
Landeskirchen.
18.00 Uhr
Im Landesvorstand werden die Wahlkampfvorbereitungen besprochen.
Die Sitzung dauert bis 22.00 Uhr.
22.00 Uhr
Rückfahrt nach Kirn. Unterwegs überlege ich, ob ich alle Termine
des Tages erledigt habe. Gibt es noch etwas? Die aufgelaufene Post
lese ich wieder im Wagen und diktiere.
23.15 Uhr
Endlich zu Hause. Lydia bereitet einen kleinen Imbiss, dabei
sprechen wir über unsere eigenen kleinen Probleme in der Familie.
Auch das muss sein. Ich greife zu den Zeitungen, die ich jetzt
endlich in Ruhe losen kann. Eine halbe Stunde nach Mitternacht
geht das Licht aus.
Natürlich kann ein anderer Tag im Leben des
Wilhelm Dröscher auch anders aussehen. Nur: generell ändert sich
kaum etwas an der Terminfülle.
Die dicke, schwarze Aktentasche bleibt immer prall gefüllt und in
seinem kleinen, dunklen Notizbuch mit den Ausfaltblättern trägt
er mit der ihm eigenen Akkuratesse entweder schwarz, rot oder grün
seine Termine ein. Die Farben signalisieren auf einen Blick die
Wichtigkeit der einzelnen Treffen, Verabredungen, Gespräche und
Versammlungen. Da bleibt kaum noch Platz für den Privatmann Dröscher.
Richtiger: Es fehlt die Zeit.
Da ist zum Beispiel ein anderer Tag:
Der 19. November 1974.
Um 7.30 Uhr geht es mit dem Wagen ab Kirn. Zwei Stunden später
Gespräch mit SPD-Bundesgeschäftsführer Holger Börner über
Organisations- und Medienfragen. Der Mann aus Kirn ist so etwas
wie die "Parteifeuerwehr" geworden, wenn es zum Beispiel
darum geht, in der eigenen Presse Schwierigkeiten zu beheben. Eine
Stunde spätertagt das Präsidium, um 12 Uhr die Geschäftskommission
beim Parteivorstand. Für 16 Uhr ist die Ältestenratssitzung in
Mainz angesetzt, und um 20 Uhr ist Dröscher schon in
Ludwigshafen-Gartenstadt, um mit dem FDP-Parteichef Dr. Scholl und
Landtagspräsident Martin von der CDU im Diskussionskreis der
Evangelischen Kirche landespolitische Fragen zu erörtern.
Das geht bis eine Stunde vor Mitternacht, bevor der treue Reimund
Fuchs wieder den Wagen anlassen kann, um endlich Kurs auf Kirn zu
nehmen. 130 Kilometer durch das Nordpfälzer Bergland - 130
Kilometer Zeit, um noch dringende Sachen im Licht der Leselampe
aufzuarbeiten.
Die
Uhr zeigt bereits die erste Stunde des neuen Tages, bevor Wilhelm
Dröscher wie gewohnt zur Zeitung greift, eine Kleinigkeit isst
und schließlich zu Bett geht. Nur der Samstagvormittag bleibt
unangetastet von Terminen. Da hält er sein Zwiegespräch mit dem
Bürger unten in der Stadt. Dann ist Sprechstunde in Kirn. Es muss
wirklich etwas Außergewöhnliches passieren, ehe diese
Sprechstunde verlegt wird.
|