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"Auf dem flachen Lande, wo die CDU am stärksten ist,
bleibt ihre Hilfe für den Menschen am geringsten", stellte
Wilhelm Dröscher ohne Pathos in der Stimme fest.
Es ist eine simple Wahrheit, die es auszusprechen gilt. Mehr
nicht.
Er wusste, wovon er sprach; denn er kannte nicht nur das Land. Er
kannte vor allem die Bürger und ihre Sorgen. Der damalige
Landesgeschäftsführer der SPD, Helmut Kuhn, lapidar: "Es
gibt keinen anderen Politiker in Rheinland-Pfalz, der von sich
sagen kann, dass er außerhalb der Wahlkampfzeiten das Gespräch
mit dem Bürger so regelmäßig sucht. Dröscher weiß nicht
zuletzt deshalb, wo die Menschen im Lande der Schuh drückt."
Von 1955 bis 1957 war er schon einmal Abgeordneter im Mainzer
Landtag, bevor er in den Bundestag gewählt wurde.
Am 9. Mai 1970 nominierte die Partei ihn zum Spitzenkandidaten für
die Landtagswahlen am 21. März 1971. Danach übernahm er den
Fraktionsvorsitz im Parlament und galt von da an als der
"scharfe Aufpasser" der Bürger im Landtag, der Helmut
Kohl und seiner Administration nicht nur wenn es sein musste - mit
harscher Kritik, sondern auch mit alternativen Lösungen
begegnete. Ohne Dröscher und ohne SPD-Landtagsfraktion wäre im
Lande manches für die Menschen schlechter gelaufen - so zum
Beispiel in der Schul- und Sozialpolitik.
"Sehen Sie", erklärte er damals Journalisten, "70
Prozent der 3,7 Millionen Einwohner leben im ländlichen Raum, aus
dem vor allem die CDU ihre Stimmen schöpft - aber die soziale
Struktur in diesen Gebieten ändert sich zusehends. Zugegeben: In
weiten Teilen der Eifel holten sich die Christdemokraten bisher 80
Prozent der Stimmen. Doch gerade das ist für uns Sozialdemokraten
ein Reservoir, in das wir jetzt hineinstoßen. Die Zahl der
Arbeitnehmer wächst ständig. Also heißt unsere Devise:
Ballungsgebiete halten und ausbauen, Menschen in den Agrarräumen
von der Richtigkeit unserer Politik überzeugen, mit ihnen
sprechen, sie gewinnen."
Was das in der Praxis hieß, wusste keiner besser als sein Fahrer
und Mitarbeiter, Reimund Fuchs. Stunden um Stunden sind sie
gemeinsam von Mainz oder Kirn aus auf dem Wege, um überall im
Lande anzuhalten, um mit den Einwohnern zu sprechen, mit ihnen zu
diskutieren.
Ungeachtet der Tatsache, dass Dröscher in Bonn und im Mainzer
Landtag seine zahlreichen Termine mit penibler Zeiteinteilung
wahrnahm und auf seine Gesprächspartner immer gut vorbereitet
traf, hat er auch mit Tausenden von rheinland-pfälzischen Bürgern
diskutiert.
Eine Sisyphus-Arbeit, die er so umschrieb: "Wer den Boden
nicht beackert, braucht sich nicht zu wundern, wenn darauf nichts
wächst."
In 14 Tagen hielt er - um nur ein Beispiel aufzugreifen - 12 öffentliche
Versammlungen und Bürgergespräche ab. Sein Ziel war es, bis zum
Wahltag alle Verbandsgemeinden des Landes besucht zu haben. Dann
war er nicht nur in den Städten, sondern auch in den 170
kommunalen Zentren im Lande, um aus erster Hand zu erfahren, was
die Bürger brauchen, was sie wollen, wie sie die Lage sehen. Auf
der anderen Seite aber versuchte er, ihnen nahe zu bringen, was
die SPD wollte und wie sie die Schwierigkeiten meistern würde.
Der Oppositionschef:" Ich habe buchstäblich alle Bereiche
des Landes besucht, mit den Menschen in Pfalz, Eifel, Westerwald
oder Hunsrück, am Rhein, an Mosel oder Nahe ihre Probleme
besprochen, habe ihnen erklären können, was die Regierung in
Bonn tut, was sie für die Zukunft plant und was wir hier in
Rheinland-Pfalz noch zu tun haben, damit es weitergeht."
Daraus schöpft er seine Kraft für die Arbeit in Mainz.
"Ohne den Kontakt mit den Menschen kann ich keine
erfolgreiche Politik machen", heißt die einfache Formel.
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