|  | "Mein Gott –14 Jahre Bundestag. Da heute noch alles
              zu überblicken, was man getan hat" -erhält einen Augenblick
              inne - "das ist nicht leicht."
 Natürlich nicht. Denn er hat in den Jahren von 1957 bis 1971 für
              seine Wähler und auch für jene, die sich nicht entschließen
              konnten, ihn zu wählen, viel in Bonn erreicht. Hat jedenfalls
              alles versucht. "Ich war über Jahre hinaus der Abgeordnete,
              der in den Fragestunden die Regierung mit den meisten Fragen
              eindeckte, die die größeren und kleineren Probleme der Bürger
              anschnitten", resümierte er.
 Er war im Landwirtschaftsausschuss, dem er während seiner
              gesamten Parlamentszeit angehörte. Er beeinflusste das neue
              Weingesetz, beschäftigte sich ganz besonders mit den Themen der
              Agrar-Sozialpolitik, der Altershilfe und Krankenversicherung der
              Bauern, ohne darüber die anderen politischen Aufgaben zu
              vergessen oder zu vernachlässigen. Als ehemaliger Soldat und
              Offizier war er der richtige Mann im Verteidigungsausschuss.
              "Ich glaube, ich habe während dieser Zeit durch meine ständige
              Mitarbeit und Mitberatung viel getan, um das neue Verhältnis
              zwischen Bundeswehr und Staat, zwischen den Soldaten und der Führung
              mit Leben zu erfüllen. Das im Grunde richtige Prinzip vom Bürger
              in Uniform' musste ja in Realität umgesetzt werden."
 Dröscher war es auch, der sich als einer der ersten für den
              "studierten" Offizier einsetzte, als das Thema noch gar
              keins war, als niemand etwas von Bundeswehr-Hochschulen wissen
              wollte.
 Nun war der Kirner Amtsbürgermeister, der während seiner Bonner
              Parlamentarierzeit fast jeden Abend zurück in die Heimatgemeinde
              fuhr und die kommunalen Geschäfte nicht einen Augenblick unter
              der Doppelfunktion leiden ließ, natürlich weit mehr als ein
              Anwalt des immer wieder apostrophierten kleinen Mannes. Er war
              Vollblutpolitiker. Das ist er heute mehr denn je. "Generell
              kann ich sagen, dass ich in den großen politischen Fragen zur
              linken Mitte meiner Partei gehöre", umreißt er seinen
              Standort. In einigen Fragen zählte ich zu den ausgesprochenen
              Linken', zum Beispiel als es darum ging, die Atombewaffnung zu
              verhindern und die Notstandsgesetze zu bekämpfen." Die spätere
              Entwicklung sollte seine damalige Haltung rechtfertigen.
 Der engagierte Sozialdemokrat rechnete 1966 auch zu den
              engagierten Gegnern der Großen Koalition, die die CDU/CSU aus der
              schwersten Parteikrise rettete.
 Nach 36 Jahren innerer und äußerer Emigration, bitterer
              Verfolgung durch die Nazis und Verhöhnung durch die
              Christdemokraten hatte sich die SPD Ende des Krisenjahres'66 an
              der Staatsmacht beteiligt.
 Die Partei war in ihrer Reaktion gespalten. Wilhelm Dröscher
              damals: "ich bin nicht bereit, die Große Koalition zu wählen,
              solange die Unmöglichkeit der Kleinen nicht bewiesen ist."
              Und sein Freund Karl Mommer, Fraktionsgeschäftsführer,
              sekundierte: "Wir müssen wenigstens den Versuch wagen, eine
              Koalition mit der FDP zustande zu bringen." Doch die Parteiführung
              hatte gewichtige Gründe für das Zusammengehen mit Strauß und
              Kiesinger. "Die Menschen draußen sorgen sich nicht um die
              CDU, sondern um ihre Arbeitsplätze. Und die kann ihnen nur die
              Große Koalition erhalten", umriss Haushaltsexperte Hermsdorf
              seinerzeit die Lage.
 Zehn Stunden wurde damals hart um den Entschluss gerungen, mit den
              Christunionisten zusammenzugehen, dann stimmte die Fraktion ab.
              126 dafür, 53 dagegen, acht Enthaltungen. Willy Brandt
              nachdenklich: "Freunde, wir müssen alle unsere Pflicht erfüllen."
 Wenn einer seine Pflicht für den Mitmenschen in Bonn erfüllte,
              dann war es Wilhelm Dröscher. Am 7. Oktober 1971 - unterdessen
              Oppositionschef in Rheinland-Pfalz - hatte er auf der Kyrburg ein
              erstes Gespräch mit Conrad Ahlers. "Plötzlich kommt so eine
              Sache", erinnert sich der ehemalige Regierungssprecher und
              Spiegel-Redakteur des Burgtreffens.
 "Die Sache", war das Angebot Dröschers, seinen alten
              Wahlkreis 152 zu übernehmen. Dröscher heute: "Er ist ein
              eigenwilliger Mann - aber er arbeitet für die Bürger, wie ich es
              erwartet habe."
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