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Die Person Wilhelm Dröscher
 
Mitternacht war längst vorbei - da saß Wilhelm Dröscher in seinem kleinen Hotelzimmer am Boulevard Waterloo in Brüssel und arbeitete an einer Rede, die er in den frühen Morgenstunden vor den europäischen Sozialisten halten würde. Es würden verschiedene unliebsame Wahrheiten sein, die er seinen Freunden aus den anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft sagen musste.
Es war kein Platz für Euphorie. Aber es entsprach eigentlich genau der Mentalität des "guten Menschen aus Kirn", die Dinge so zu sehen wie sie waren.
"Jetzt geht es ums Überleben, das heißt, um die Erhaltung der Substanz der Gemeinschaft, sie braucht ein ständiges Krisenmanagement, eine Politik realistischer Begrenzung auf das, was möglich ist", schrieb er.
Das fand vielleicht nicht überall Zustimmung. Aber einfache Wahrheiten setzten sich letztlich immer durch. „Man muss sich in solchen Fällen eben durchbeißen", sagte er. Dröscher sprach aus Erfahrung.
Als in der SPD in verschiedenen Zeitungen und Verlagen finanzielle Schwierigkeiten auftraten, wurde das SPD-Präsidiumsmitglied Wilhelm Dröscher gebeten, den Vorsitz der Geschäftskommission zu übernehmen.
"Ich bin nicht dafür, Unrentabilität aus Parteigroschen zu finanzieren. Wer in der Privatwirtschaft versagt, verliert seinen Arbeitsplatz. Ich kenne wenige Fälle, wo dies in der Parteipresse passiert wäre", sagte er mit glasklarer Deutlichkeit. Doch dabei ließ es dieser Mann nicht bewenden.
"Kritik erfordert die Alternative, den Hinweis darauf, wie man etwas ändern, bessermachen kann", ergänzte er mit der typisch dröscherschen Selbstverständlichkeit.
"Ich schlage vor. . .", begann er in solchen Fällen.
Und was er vorschlug, was er sagte, das war durchdacht, das hatte Hand und Fuß.
Was war das für ein Mann?
Ein Pragmatiker, der sich nur nach den Möglichkeiten des Machbaren richtete, ein Träumer, ein politischer Don Quichotte, einer, der Realitäten verändern wollte?
Weder noch.
Er war Wilhelm Dröscher. Ganz unverkennbar. Ein Mann, vom Leben geformt, aus den bitteren und guten Erfahrungen täglich neu schöpfend. Als sich Richard Nixon zum erstenmal in Amerika um die Präsidentschaft bewarb, erfanden damals seine politischen Gegner die Wahlformel: "Würden Sie von diesem Mann einen Gebrauchtwagen kaufen?" Die Geschichte sollte in den USA diese Frage Jahre später eindeutig beantworten.
Von Dröscher konnte man - wollte man diesen Vergleich fortführen - nicht nur ohne zu zögern einen Gebrauchtwagen kaufen. Eine Garantie hätte er noch dazu übernommen.
Er war ehrlich, zuverlässig.
Und er stand zu seinen Worten - egal welche Schwierigkeiten und Probleme das auch immer mit sich bringen mochte. Er "verkohlte" also die Bürger nicht. Diese Haltung erklärte sich aus seinem Leben.
Am 7. Oktober 1920 wurde er in Kirn geboren, besuchte dort die Volks- und Realschule, absolvierte eine kaufmännische Lehre, war Angestellter bei den Kirner Hartsteinwerken und musste mit 20 in den mörderischen Weltkrieg ziehen. Vom ersten bis zum letzten Tag war er "vorn": Frontsoldat in Frankreich, Russland, Italien und schließlich an der Oder.
Als hochdekorierter Offizier, dreimal verwundet, kehrte er 1945 aus der Gefangenschaft nach Kirn zurück.
Was nun?
Hände in den Schoß legen und auf bessere Zeiten warten? Das fragten sich damals Millionen. Nicht so Wilhelm Dröscher. Er griff sofort zu, schon im August 1945 als Sägewerksarbeiter. Aber schon ein Jahr später übernahm der nun 25jährige auf Bitte des erkrankten Bürgermeisters Reiss die Dienstgeschäfte des Amtes Kirn-Land als Amtsbeigeordneter. Zur gleichen Zeit blieb er auch noch im elterlichen Sägewerk tätig. Er fuhr an drei Wochentagen Langholz aus dem Wald.
Die politische Karriere - wenn man diesen Ausdruck überhaupt verwenden will - begann also mit harter Arbeit.
Es waren seine sprichwörtliche Menschlichkeit und Aufrichtigkeit, gepaart mit schneller Entschlusskraft, die Dröscher in der Vergangenheit in den kritischsten Phasen richtig entscheiden ließen, die jetzt aber den Grundstein zu einer Entwicklung legten, die in der landläufigen Meinung einmündete: "Er war der gute Mensch von Kirn."
Er war ein in der Bundesrepublik und in Europa anerkannter Politiker. Er war Oppositionschef in Mainz und klopfte der Regierung auf die Finger, wenn sie etwas gegen die Interessen des kleinen Mannes durchsetzen wollte. Er war 14 Jahre ununterbrochen Bundestagsabgeordneter, war Europäer mit jeder Faser seines Herzens, kannt sich aus in der oft sehr schwierigen Materie der wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas. Als Präsident der sozialdemokratischen Parteien in der Europäischen Gemeinschaft setzte er alles daran, dass diese Gemeinsamkeit auch unter schwerster Belastung erhalten und ausgebaut wurden.
Ob im Parteivorstand der SPD in Bonn, ob in Brüssel oder Luxemburg, ob als Chef in Mainz: Immer machte er Politik für den Bürger- für uns, für jedermann.
© Wilhelm-Dröscher-Stiftung - 2003  E-Mail direkt