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20 Jahre lang war Wilhelm Dröscher Amtsbürgermeister der
Amtsverwaltung Kirn-Land. 20 Jahre, die den Gemeindechef an der
Nahe weit über die rheinland-pfälzischen Landesgrenzen hinaus
als den "guten Menschen von Kirn" bekannt werden ließen.
Er hat sich -und nicht nur in jenen schweren 50er Jahren - in
einer Weise persönlich eingesetzt, die von Freunden und Gegnern
gleichermaßen als "unglaublich" und
"sagenhaft" eingestuft wurde. So führte er in Kirn
seine Samstags-Sprechstunden für jedermann ein, als die große
Mehrzahl der gewählten Abgeordneten und Kommunal-Satrapen noch
gar nicht daran dachte, auch noch ihre freien Stunden für den Bürger
zu opfern.
Ob Witwen, Waisen, Bundeswehrsoldaten, Rentner, Flüchtlinge oder
Bauern und Handwerker: Er war für alle zur gleichen Stunde zu
sprechen. "Es mag sein, dass meine persönliche Unabhängigkeit
dazu beitrug, mir dieses Maß an Freiheit und Selbständigkeit zu
geben, das man nun einmal braucht, um anderen wirklich helfen zu können",
versucht er seine Beliebtheit zu erklären.
Als er im Sommer 1945 aus der Gefangenschaft nach Kirn zurückkam,
setzte er zunächst alles daran, das Familienunternehmen - Sägewerk
und Holzhandel - wieder in Schwung zu bringen. Zusammen mit der
Schwester und dem Schwager bauten sie den Betrieb in den ersten
Nachkriegsjahren unter unsagbaren Schwierigkeiten auf und aus.
Hätte sich der junge Offizier- wie viele damals enttäuscht und
verbittert - nur noch dem väterlichen Erbe gewidmet, wäre in der
Politik manches bestimmt ganz anders gelaufen. Ganz sicher aber
auch nicht besser. Denn Wilhelm Dröscher arbeitete schon in den
späten vierziger Jahren als ehrenamtlicher Stadtrat in Kirn mit
und wurde Ende 1948 vom damaligen kranken Amtsvorgänger gebeten,
sich doch zur Wahl zu stellen. Damit begann ein neuer
Lebensabschnitt für ihn.
"Zu den Erlebnissen, an die ich gern zurückdenke, gehören
die vielen spätabendlichen und nächtlichen
Gemeinderatssitzungen. In den 15 Dörfern fanden durchschnittlich
10 solcher Sitzungen im Monat statt. Die waren natürlich alle öffentlich.
Und wenn da stundenlang auch über die kleinsten, aber eben
wichtigen Dinge diskutiert wurde, dann schuf das bald eine persönliche
Vertrauensbasis", erinnerte er sich.
„Aus dieser Zeit stammt eigentlich mein Vertrauen in den
gesunden Menschenverstand der sogenannten kleinen Leute. Was da
von den Bürgermeistern, Bauern und Arbeitern an Sachverstand und
Sachkunde in die Gespräche eingebracht wurde, war die Basis einer
heute gut funktionierenden demokratischen Gemeindeordnung. Natürlich
gab es auch hin und wieder harte Auseinandersetzungen - doch
gerade die sind ja notwendig, um zu einem vernünftigen Ergebnis
zu kommen."
Oft endeten diese nächtlichen Sitzungen damit, dass man bei
Hausmacherwurst, Bier oder Wein noch zusammensaß und über viele
kleine persönliche Probleme sprach, die letztlich irgendwie von
"Lemm" Dröscher zur Zufriedenheit der Betroffenen gelöst
werden konnten.
Da wurden die ersten Schulen gebaut, es gab damit auch die ersten
Auseinandersetzungen über Konfessions- und Mittelpunktschulen.
Dorfgemeinschaftshäuser entstanden, das große Gruppenwasserwerk
- vorbildlich in seiner Art - konnte in Betrieb genommen werden.
Und ganz so "zwischendurch" schloss der Standesbeamte Dröscher
so manche Ehe, entwickelte den Fremdenverkehr und rettete kleinere
Betriebe durch seine persönliche Aktivität- auch wenn es mitten
in der Nacht sein musste - vor dem Konkurs.
Da trommelte er Bankiers zusammen, fuhr zur Regierung, entwarf im
Auto erste Sanierungspläne, erwirkte Zahlungsaufschub.
"Mir ging es nur um die Menschen, um ihre Arbeitsplätze und
damit um ihre Familien."
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