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Das Land war seine Basis - Europa war sein
Ziel
"Wilhelm Dröscher hat das
unverwechselbare Bild dieses Landes mitgeprägt'«, sagte
Ministerpräsident Dr. Bernhard Vogel in der Trauerfeier für den
im Alter von 57 Jahren plötzlich verstorbenen Bundesschatzmeister
der SPD. An dem Staatsbegräbnis in dessen Heimatstadt Kirn nahmen
außer Parlamentariern und Ministern unzählige Mitbürger teil,
die trotz strömenden Regens "ihren" Wilhelm Dröscher
auf dem letzten Weg das Geleit gaben oder dem Trauerzug ihre
Ehrung bezeugten. Für Wilhelm Dröscher sei sein Engagement für
Europa "immer auch ein Engagement für Rheinland-Pfalz"
gewesen. Daraus spreche seine "auffallende Verwurzelung in
seiner engeren Heimat", unterstrich der Ministerpräsident.
Wilhelm Dröscher habe sich selbst verzehrt in seiner Aufgabe, mit
voller Hingabe sein politisches Mandat wahrzunehmen. Die Sorgen
vieler Hilfesuchender habe er buchstäblich zu seinen eigenen
gemacht. "Nichts war ihm lästig, nichts zuviel, wenn es
galt, sich unmittelbar für seine Mitbürger einzusetzen.“
Mit Leidenschaft sei Wilhelm Dröscher, so führte
Landesvorsitzender Hans Schweitzer bei dem Staatsakt in der Kirner
Turn- und Sporthalle aus, in und um Rheinland-Pfalz politisch tätig
gewesen - als Amtsbürgermeister der damaligen Amtsverwaltung Kirn
Land, als Abgeordneter des Wahlkreises Bad Kreuznach für den
Deutschen Bundestag, als Vorsitzender der sozialdemokratischen
Landtagsfraktion, als Bezirksvorsitzender, Landesvorsitzender und
Bundesschatzmeister der SPD, ferner als Mitglied des Europäischen
Parlaments und Vizepräsident der Energie-Kommission sowie als Präsident
des Bundes Sozialdemokratischer Parteien der Europäischen
Gemeinschaft.
Für Landesvorstand und Landtagsfraktion der
SPD sei Wilhelm Dröscher das Leitbild weiterer Arbeit, betonte
SPD-Landesvorsitzender Hans Schweitzer. Die Erinnerung an Wilhelm
Dröscher und sein Wirken werde durch Schaffung einer ehrenvollen
Auszeichnung für Bürger des Landes, die im Sinne seines
Lebenswerks wirksam geworden seien, lebendig erhalten werden. Die
Auszeichnung werde Wilhelm Dröschers Namen tragen.
"Wilhelm Dröscher hat sich aufgerieben
für die Menschen dieser und der kommenden Generation", sagte
Willy Brandt, der die letzten Grüße des Bundeskanzlers - Helmut
Schmidt und Herbert Wehner hatten wegen des Besuchs in Polen nicht
nach Kirn kommen können -, des Parteivorstands und der
Bundestagsfraktion überbrachte. "Wären alle hier, denen er
geholfen hat, diese Stadt könnte sie an Zahl kaum in ihren Mauern
beherbergen." Wilhelm Dröscher sei ein Mann von Konturen und
Gewicht gewesen und dennoch ohne Feinde. „Zuweilen war er
unbequem, weil er wusste, was er wollte." Leidenschaftlich
sei er für den Ost-West Ausgleich und die Einigung Europas im
Westen eingetreten. Willy Brandt schloss: "Hätte Wilhelm Dröscher
ein politisches Testament hinterlassen, er hätte uns die Pflicht
zum Kampf für eine weltweite Abrüstung ans Herz gelegt. Er verkörperte
wahres Menschentum.“
Landtagspräsident Albrecht Martin würdigte
Wilhelm Dröschers Wirken, wobei er eine große Breite persönlicher
und politischer Gemeinsamkeit feststellte. In seinem vielfältigen
politischen Tim habe er sich von der Kraft Gottes tragen lassen.
"Europa war sein Ziel", erklärte Senator Robert
Pontillon, stellvertretender Vorsitzender des Bundes der
sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien in der EG, dem
Wilhelm Dröscher als Präsident durch seine Autorität zu einer
gemeinsamen Plattform verholfen habe.
Unter den Trauergästen befanden sich u.a. Bürgermeister
Hans Koschnick, Ministerpräsident Holger Börner, die
Bundesminister, Dr. Jochen Vogel, Antje Huber, Helmut Rohde, Karl
Ravens, die Schatzmeister und Landesminister Leisler-Kiep (CDU)
und H. H. Karry (F.D.P.), der ehm. SPD-Schatzmeister Alfred Nau,
Ruth Brandt, der frühere Präsident der EG-Kommission Dr. Sicco
Mansholt, die luxemburgische Parteivorsitzende Lucy Schmitt und
der belgische SP-Vorsitzende Karel van Miert.
Weitere viel beachtete Traueransprachen
hielten Kirns Bürgermeister Gerd Danco und Wilhelm Dröschers
Nachfolger in Kirn-Land, Adolf Schwenk, sowie der Präsident der
Ev. Kirchen des Rheinlandes, Karl Immer, Düsseldorf.
Quelle: Der Sozialdemokrat- Rheinland-Pfalz. Ausgabe
Dezember 1977
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