Zu seinem 25. Todestag gedachten Weggefährten des Kirner
Sozialdemokraten Wilhelm Dröscher - Dr. Ernst Theilen und Rudolf
Scharping zeichneten ein lebendiges Porträt
Auch Birkenfelder Genossen gedachten des "guten Menschen
von Kirn"
Dem Wesen und der Popularität Wilhelm Dröschers gingen
Rudolf Scharping, Dr. Ernst Theilen, Jürgen Henze und Peter
Wilhelm Dröscher bei einer Gedenkveranstaltung zum 25. Todestag
des SPD-Politikers in Birkenfeld auf den Grund.
KIRN / BIRKENFELD. Als Rudolf Scharping das Nebenzimmer des
Oldenburger Hofs betrat, war die gute Stimmung dahin - zumindest
bei den FCK-Fans unter den gut zwei Dutzend Genossen der
Gedenkveranstaltung zum 25. Todestag von Wilhelm Dröscher:
"Kaiserslautern hat 3:1 geführt." Da war jedem klar,
dass die Pfälzer in Bremen verloren hatten. In den nächsten
beiden Stunden gelang es dem Ex-Parteichef und den drei anderen
von SPD-Ortsverein und Juso-Kreisverband eingeladenen Weggefährten,
ein lebendiges Porträt des mit 57 Jahren verstorbenen
SPD-Bundesschatzmeisters Wilhelm "Lem" Dröscher zu
zeichnen.
Nachdem der SPD-Bezirksvorstand Scharping im Dezember 1968
gegen den Willen des Vorsitzenden Dröscher ausgeschlossen hatte,
nahm dieser das Angebot des Westerwälders an, ihn im Wahlkampf an
der Nahe zu unterstützen. "Ich weiß nicht, ob ich ohne Dröscher
den Weg zurück in die SPD gefunden hätte", bekannte der
geschasste Verteidigungsminister.
Ganz konkret, glaubwürdig und alltäglich habe der Abgeordnete
den Menschen geholfen, würdigte der 54-Jährige den
"wortstarken Debattenredner". Charakteristisch war seine
Toleranz: So ließ der SPD-Landesvorsitzende 1972 zu, dass von
seinem Telefon aus Scharping die Kandidatur von Eva Meinerts im
Nahe-Wahlkreis betrieb, obwohl er sich für den mit 214:33 Stimmen
siegreichen Conrad Ahlers als seinen Nachfolger einsetzte.
"Wir müssen den Menschen dienen" - mit diesen Worten
beschrieb der einstige Landtagsabgeordnete Jürgen Henze das
Leitmotiv "meines politischen Ziehvaters" und erinnerte
mit Axel Redmer daran, wie das frühere KPD-Mitglied Kundgebungen
der NPD besuchte und mit den Rechtsradikalen diskutierte.
Von 1960 bis 1977 stand Dr. Ernst Theilen an der Seite des
beliebten Politikers, zuletzt als persönlicher Referent. Während
seines Studiums durfte er mit dem "Abgeordneten-Ticket"
die Bibliothek des Bundestags nutzen - und arbeitete als
Gegenleistung für den MdB. Schließlich überließ der "gute
Mensch von Kirn" ihm sogar seine Bonner Wohnung. "Er hat
selbst in völlig verkorksten Fällen geholfen und sich von
Experten-Meinungen nicht beeindrucken lassen", schilderte der
ehemalige Landrat den "Dienst am Wähler", der zu der
ungeheuren Popularität beitrug. Eine parteipolitische Kindheit
hatte er nicht, erzählte Peter Wilhelm Dröscher, der erst als
50-Jähriger in die Fußstapfen seines Vaters trat und in den
Landtag einzog. Initiator Holger Noß hob hervor, dass Birkenfeld
als einzige Stadt eine Straße nach Dröscher benannt habe, der
sich den europäischen Gedanken zu eigen machte, "als noch
kaum jemand an Europa dachte".
Karsten Schultheiß
aus: Rhein-Zeitung, 20.11.2002
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